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Digitalisierungsschub – die Notwendigkeit von Resilienz & Leadership

Arbeitswelt 4.0. Ein Begriff, der schon seit län­gerem kur­siert. Unternehmen müssen in einem immer dynamis­cheren Umfeld agieren, Führungskräfte ihren Stil agil gestal­ten und Unternehmen­skul­turen laufend neuen Gegeben­heit­en angepasst wer­den. Auf­grund der Dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion befind­en sich Unternehmen in einem soge­nan­nten VUCA-Umfeld, welch­es sich durch Volatil­ität, Unsicher­heit, Kom­plex­ität und Mehrdeutigkeit ausze­ich­net. Die aktuelle Sit­u­a­tion rund um Covid-19 hat diese Trans­for­ma­tion ein gross­es Stück vorangetrieben.

Viele Mitar­bei­t­ende kön­nen sich wohl noch gut an den 15. März zurück erin­nern. Der Bun­desrat sprach den nationalen Lock­down aus und viele wur­den just an dem Tag nach Hause ins Home­of­fice geschickt. Für einige war diese Weisung nichts Beson­deres, da sie sich bere­its gewöh­nt sind, zuhause zu arbeit­en. Andere betrat­en jedoch Neu­land – in vie­len Organ­i­sa­tio­nen war bis zu diesem Zeit­punkt mobil-flex­i­bles Arbeit­en nur in einem begren­zten Rah­men möglich und Agilität zwar ein bekan­nter Begriff, die Umset­zung jedoch wurde bis anhin vielerorts wenig pri­or­isiert behan­delt. Nur warum? Die Antwort darauf hat viel mit der Unternehmen­skul­tur und der Rolle der Führungskräfte zu tun. Mitar­bei­t­ende sollen 8 to 5 im Büro arbeit­en, viele Arbeit­en sind von zuhause aus nicht möglich, die Mitar­bei­t­en­den im Home­of­fice arbeit­en weniger pro­duk­tiv oder die Ein­rich­tung für mobil-flex­i­bles Arbeit­en ist fürs eigene Unternehmen zu kom­plex. Sich von solchen Gedanken zu lösen, gestal­tete sich bis anhin für viele tra­di­tionelle Fir­men schwierig. Auch ein Knack­punkt ist oft­mals, dass Führungsper­so­n­en – vor allem in hier­ar­chisch geführten Unternehmen – beim Führen auf Dis­tanz Angst vor Kon­trol­lver­lust haben und dies zu Unsicher­heit führt. Wie eine Führungsper­son jedoch ihre Rolle aus­gestal­tet, hängt stark mit dem Men­schen­bild zusam­men, welch­es sie ver­fol­gt. Wenn die Denkweise vorhan­den ist, dass Mitar­bei­t­ende kon­trol­liert wer­den müssen, hat es die Führungsper­son bere­its vorher ver­passt, diese entsprechend zu motivieren. Oder wurde bere­its bei der Rekru­tierung die falsche Per­son eingestellt? Fakt ist, ab dem besagten Tag im März musste es funk­tion­ieren und die Mitar­bei­t­en­den kon­nten endlich beweisen, dass sie auch im Home­of­fice eigen­ver­ant­wortlich, pro­duk­tiv und mit mehr Flex­i­bil­ität arbeit­en kön­nen. Diese gewonnene Flex­i­bil­ität möcht­en sie nun ver­ständlicher­weise mit den Lockerun­gen per 11. Mai 2020 nicht wider­stand­s­los abgeben und in die alten Muster zurück­fall­en, wenn einige Unternehmen ihre Büros wieder öff­nen. Führungsper­so­n­en nehmen nun eine wichtige Rolle ein wenn es darum geht, ein längst notwendi­ges neues Arbeits- und Führungsver­ständ­nis zu etablieren. Nur, wie gehen diese mit der Sit­u­a­tion am besten um und wie kann hier­bei Resilienz unterstützen?

Was ist Resilienz?

Resilienz ist grund­sät­zlich nichts Weit­eres, als die Fähigkeit, mit grossen und kleinen Krisen sowie Verän­derun­gen im Leben umzuge­hen und gestärk­ter aus der Sit­u­a­tion gehen zu kön­nen. Resilienz kann dem­nach als Immun­sys­tem für unsere Psy­che und Seele beze­ich­net wer­den. Sie unter­stützt uns bei der Bewäl­ti­gung von Stress, Belas­tun­gen und Krisen – Wider­stand­skraft, Selb­st­be­wusst­sein und Flex­i­bil­ität sind dabei die Schlüs­se­lele­mente. Wer glaubt, dass Resilienz ein Dauerzu­s­tand ist, der irrt. Der Weg zu Resilienz ist vielmehr ein lebenslanger Lern­prozess – in jed­er Phase des Lebens kann sie stärk­er oder schwäch­er aus­geprägt sein.

Covid-19, der digitale Schub und die Rolle der Führung in der Transformation

Die Welt der Führung ste­ht vor einem grossen Par­a­dig­men­wech­sel: Resilien­zförderung im Span­nungs­feld zwis­chen Agilität und Sta­bil­ität stellt eine der zen­tralen Führungskom­pe­ten­zen der Zukun­ft dar. Flex­i­bil­ität, Anpas­sungs­fähigkeit und Präsenz gehören eben­so zu den neuen (Selbst)-Führungsqualitäten wie Acht­samkeit und die Ver­mit­tlung sozialer Sicher­heit. Die neue Arbeitswelt ist flüchtig, unsich­er, kom­plex und mehrdeutig. Mehr denn je benöti­gen Unternehmen in der aktuellen Sit­u­a­tion krisen­starke, agile, flex­i­ble und anpas­sungs­fähige Führungskräfte. In Anbe­tra­cht von Dauer­stress müssen Führungskräfte als Vor­bild agieren und für Gelassen­heit, Sta­bil­ität und Zuver­läs­sigkeit sor­gen. Führung in der Arbeitswelt 4.0 ver­langt in diesem Zusam­men­hang vor allem die Fähigkeit, auf die Vielfalt psy­chol­o­gis­ch­er Grundbedürfnisse und Begabun­gen angemessen zu reagieren. Führen heisst heute nicht nur Zielvor­gaben gerecht zu wer­den, son­dern eben­so in Echtzeit Inno­va­tion voranzutreiben und für ein gesun­des Arbeit­skli­ma zu sor­gen. Hinzu kommt, dass Führungskräfte immer mehr zu Coach­es wer­den und die Mitar­bei­t­en­den darin bestärken sollen, mehr und mehr Selb­st­führung zu übernehmen. Die Rede ist dabei von Lead­er­ship, welch­es iden­ti­fizierend, inspiri­erend, intellek­tuell und indi­vidu­ell gestal­tet sein soll.

Resiliente Führungskraft – was braucht es dazu?

Damit es Führungskräften gelingt, im weit­eren dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion­sprozess, bei Kon­flik­ten oder in stres­si­gen Zeit­en ein neues Führungs- und Arbeitsver­ständ­nis zu schaf­fen, muss ihnen authen­tis­che, resiliente und sit­u­a­tion­s­gerechte Führung gelin­gen. Wichtig dabei ist es umso mehr, die eigene sowie auch die Resilienz des Teams und des Arbeit­sum­felds zu stärken. Denn resiliente Führungskräfte kön­nen sich opti­mal an Verän­derun­gen anpassen und gestal­ten proak­tiv und ver­ant­wor­tungs­be­wusst die Zukun­ft. Doch wie gelingt es, auch in Zeit­en hoher Belas­tun­gen die tägliche Bal­ance im Span­nungs­feld zwis­chen Agilität und Sta­bil­ität immer wieder neu herzustellen?

In der Resilien­z­forschung wer­den sieben bis acht Aspek­te benan­nt, die helfen, schwierige Sit­u­a­tio­nen leichter zu meis­tern und die Widerstands‑, Anpas­sungs- und Verän­derungskraft zu stärken. Sie wer­den Erfol­gs- oder Schutz­fak­toren genan­nt. Unser Resilienz-Mod­ell weist acht Aspek­te auf. Diese sind beson­ders auch für Führungskräfte essen­ziell, um sich in stark fordern­den Zeit­en zu besin­nen und sich in der Rolle als Führungskraft wieder stärken zu kön­nen. Führungsper­so­n­en soll­ten ihr eigenes, ganz indi­vidu­elles Resilienz-Pro­fil entwick­eln, um für her­aus­fordernde Zeit­en opti­mal gerüstet zu sein. Nach­fol­gend wer­den drei Aspek­te des Mod­ells beleuchtet und mit Hand­lungsempfehlun­gen für Führungsper­so­n­en ergänzt.

Akzep­tanz und Real­itäts­bezug sind wohl die wichtig­sten Resilien­z­fak­toren für die Meis­terung von Sit­u­a­tio­nen, die wir nicht ändern kön­nen. Es bedeutet nicht, dass wir Dinge für gut befind­en müssen, son­dern akzep­tieren, dass sie geschehen. Führungsper­so­n­en soll­ten mit einem Per­spek­tiven­wech­sel ihre eigene Sichtweise bee­in­flussen und ihr mit Tol­er­anz begeg­nen, Dinge annehmen im Bewusst­sein, dass Schick­salss­chläge und Krisen Teil des Lebens sind und dass Nieder­la­gen und Scheit­ern dazuge­hören. Dies bed­ingt ein­er­seits ein dazu ste­hen sowie auch über unan­genehme The­men wie die eige­nen Unsicher­heit­en sprechen zu kön­nen. Belas­tun­gen und Kon­flik­te kön­nen im men­schlichen Miteinan­der nicht ver­mieden wer­den. Die Fähigkeit, seine Hand­lun­gen, Emo­tio­nen und Impulse selb­st zu steuern und reg­ulieren, um wieder in Bal­ance zu kom­men, ist Selb­streg­u­la­tion. Voraus­set­zung dafür ist, die eige­nen Bedürfnisse sowie die Ver­hal­tens­muster zu ken­nen und daraus Strate­gien zu entwick­eln, um gegen­s­teuern zu kön­nen. Fra­gen Sie sich, wer und was Ihnen gut­tut. Soziale Beziehun­gen und ein sta­biles und leb­haftes Net­zw­erk stärken die Resilienz. Analysieren Sie Ihre Ver­hal­tens­muster und entwick­eln Sie min­destens fünf neue Reak­tion­s­möglichkeit­en auf diese. Tauschen Sie sich mit anderen Führungskräften aus, ver­net­zen Sie sich mit inno­v­a­tivem Leader und pfle­gen Sie Ihre pri­vat­en Fre­und­schaften. Empathie und Feinge­fühl sind notwendig, um wertschätzende Beziehun­gen aufzubauen, zu pfle­gen und zu stärken. Acht­en Sie bei der Führungsar­beit darauf, dass Sie Wertschätzung und Zuwen­dung angemessen inte­gri­eren, damit gegen­seit­iges Inter­esse gefördert wer­den kann.

Reflexion der eigenen Situation und innere Stärke daraus entwickeln

Wenn sich Führungskräfte in ihrer Rolle die ver­gan­genen Wochen reflek­tieren, sich die Frage stellen, was gut lief, was nicht und was allen­falls verän­dert wer­den kann, kön­nen sie daraus ler­nen und ihren per­sön­lichen Entwick­lung­sprozess vorantreiben. Es ergeben sich neue Möglichkeit­en und Chan­cen, die der Dig­i­tal­isierungss­chub und die neuen For­men der Zusam­me­nar­beit in Zukun­ft bieten. Nutzen Sie diese – informieren Sie sich und pro­bieren Sie aus.

All dies bed­ingt allerd­ings auch regelmäs­sig sein Führungsver­hal­ten zu analysieren und sich mit seinem eige­nen Men­schen­bild und den damit ver­bun­de­nen Wertvorstel­lun­gen auseinan­derzuset­zen. Diese Ele­mente haben einen grossen Ein­fluss auf die Führungstätigkeit oder die Art und Weise, wie geführt wird. Regelmäs­sige Reflex­ion und Stan­dortbes­tim­mung über die per­sön­liche Entwick­lung zeigen auf, welche Fähigkeit­en und Kom­pe­ten­zen bere­its vorhan­den sind, welche noch weit­er­en­twick­elt wer­den kön­nten und mit welch­er Unter­stützung dies gelin­gen kann. Nie­mand muss den Weg allein bestre­it­en, aber Selb­stre­flex­ion ist der Startschuss für die weit­eren kom­menden Schritte.

Resilienz lässt sich nur weit­er entwick­eln, wenn wir uns neuen Sit­u­a­tio­nen stellen und so das Ver­trauen in die eige­nen Fähigkeit­en ver­tiefen kön­nen. Es wäre falsch zu glauben, dass resilient sein bedeutet, Immu­nität gegen alle Widrigkeit­en zu haben – diese müssen eben­so durchge­s­tanden und verkraftet wer­den. Resiliente Men­schen ver­ste­hen es jedoch, sich selb­st wieder in Bal­ance zu brin­gen und daraus weit­er zu wach­sen. Und genau jet­zt bieten sich unzäh­lige Chan­cen, seine per­sön­liche Resilienz weit­er zu entwick­eln – pack­en Sie es an!